Nutzung von Diskussionsforen in der Hochschullehre

[Could not find the bibliography file(s)Ich wurde jüngst von einem befreundeten Startup gebeten, etwas über die Interaktion von Studierenden in Diskussionsforen zu sagen. Ich beschäftige mich in meinen Forschungen vor allem mit der Nutzung von (Lern-)Services. (siehe dazu auch [?]) Denn wenn wir ehrlich sind, was sagen Zufriedenheitsevaluationen und selbst angegebene Kompetenzentwicklungen schon aus? Diese sind aber typisch in der Evaluation von Hochschulangeboten. Leider treffen an der Stelle aber die meisten Bias der fragebogenbasierten Forschung auf einander. In der Weiterentwicklung von Hochschulangeboten hilft mir das nur bedingt. Genau aus diesem Grund freue ich mich über die jüngsten Entwicklungen rund um das Thema Educational Data Mining. Wie nutzen die Studierenden unsere Angebote denn konkret? Welche Seiten rufen Sie auf? Wann laden sie Content herunter? Wie viel Prozent der Lehrvideos werden denn tatsächlich betrachtet? (kleiner Hinweis: Nicht sehr viel…)
Im weiteren soll es aber um das klassische Diskussionsforum gehen. 

Das Diskussionforum

Die Hauptaufgabe von solchen Foren besteht meist darin, die bereits vermittelten Inhalte in einem erweiterten Kontext zur Anwendung zu bringen. Der Diskurs zwischen Studierenden soll in diesem Sinne dabei helfen, die Inhalte zu vertiefen. [?] [?]

Im konkreten Fall haben wir in einer ortsübergreifenden Veranstaltung in 2011 und 2012 ein Diskussionforum eingesetzt. Dabei sind wir davon ausgegangen, dass durch die Aufforderung zur kritischen Diskussion zwischen den Studierenden eine Eigendynamik entsteht, die zur Vertiefung der Inhalte führt. Diese Daumenregel haben wir nutzungsdatenbasiert überprüft. Die Ergebnisse möchte ich im Folgenden darstellen.

Das Diskussionforum mit dem Namen „Work Café“ war in ein Lernmanagement System (LMS)  – Blackboard – eingebettet. Um die Nutzungsdaten aus den Foren zu ziehen, wurde der frei verfügbare Service SNAPP genutzt. Die Veranstaltung umfasste dabei in 2011 drei und in 2012 vier deutsche Universitäten, wobei zur Teilnahme am Diskussionsforum insgesamt 207 Studierende in 2011 und 300 Studierende in 2012 aufgefordert waren. Da das LMS von einem zentralen IT-Dienstleister angeboten wurde und kein Zugriff auf Datenbank oder Logdaten bestand, mussten die Daten clientseitig abgerufen werden. SNAPP erlaubt dafür zunächst eine graphische Auswertung der Diskussion im Browser sowie die Ausgabe der Interaktionsdaten im GRAPHML-Format. Diese Daten konnte ich in einer Netzwerkanalysesoftware zur tiefergehenden Analyse verwenden. Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse in der Darstellung eines organischen Netzwerks. Die Aufgabenstellung wurde dabei zwischen beiden Jahren leicht variiert.

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Abb. 1
. Interaktionsnetzwerke im Work Café

Im Jahr 2011 wurden die Studierenden angehalten, mindestens einen Beitrag im Work Café zu verfassen. Sie konnten dabei aus insgesamt fünf Themen wählen. Wie Abbildung 1 jedoch anhand der stark zentralisierte Netzwerke in 2011 illustriert, antworteten die meisten Studierenden, trotz einer mittleren Anzahl von 136 Diskussionsteilnehmern pro Thema, fast ausschließlich auf den Initialbeitrag des Lehrenden. Die Antworten der meisten Studierenden blieben von den jeweiligen Kommilitonen unberücksichtigt. Die ursprüngliche Annahme, dass durch Initialfragen eine Eigendynamik in der Diskussion entsteht, musste somit verworfen werden.

Daraufhin wurde die Aufgabenstellung im Jahr 2012 modifiziert. Drei von fünf Initialfragen blieben dabei gleich. Um den Einfluss neuer Themen auf die Gegenüberstellung zu senken, werden hier nur diese drei berücksichtigt. Die neue Aufgabe bestand nun darin, dass Studierende an drei von fünf Diskussionsthemen teilnehmen und zumindest eine Antwort auf einen Kommilitonen schreiben sollten. Im Ergebnis entwickelten sich Interaktionsnetzwerke mit bedeutend höherer Dichte, wie ebenfalls in Abbildung 1 zu erkennen ist. Abbildung 2 zeigt die Verteilung ausgehender Interaktionen einzelner Studierender.

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Abb. 2
. Über die drei Fragen gemittelte Anzahl der Antworten im Work Café

Aus ihr ist ersichtlich, dass im Jahr 2011 jeder Studierende im Mittel nur einen Beitrag pro Thema verfasste. Die Änderung der Aufgabenstellung in 2012 forderte von den Studierenden, dass sie zumindest einen Beitrag als Antwort auf einen Kommilitonen verfassten. Während Abbildung 1 bereits zeigt, dass die Netzwerke in Folge dessen weniger zentralisiert sind, lässt sich aus Abbildung 2 ableiten, dass die Studierenden zudem auf mehr als nur einen Kommilitonen antworteten. Aber welcher Anteil an Studierenden verfasste nun mehr Beiträge als sie mussten? In 2011 war ein Beitrag verpflichtend und 13,39% der Studierenden verfasste mehr. 2012 mussten zwei Beiträge verfasst werden und 17,87% der Studierenden taten mehr als von Ihnen zwingend erwartet wurde. Durch die verstärkte Interaktion und die leichte Verbesserung der freiwilligen „Übererfüllung“ erfüllte die Anpassung der Lernservicekomponente „Work Café“ mithin das Ziel, eine Vertiefung der Inhalte durch Interaktion zu fördern, tendenziell besser.

Studierende verfassen bei Diskussionsfragen nur so viele Antworten, wie von ihnen verpflichtend gefordert werden. Eine Variation der Aufgabenstellung, die eine verpflichtende Reaktion von Studierende auf ihre Kommilitonen einfordert, führt zumindest dazu, dass mehr Subdiskussionen begonnen werden. Dies erkennt man besonders gut anhand der Bildung von Clustern in Abbildung 1.

Besonders interessant wäre es jetzt die Diskussionbeiträge auch qualitativ zu überprüfen. Darüber hinaus wäre ich sehr daran interessiert, wie viele Beiträge von den Studierenden auch aktiv wahrgenommen – also gelesen – werden.

Literaturverzeichnis